Dominik Bedorf hat mit Webrampe über Hubert Hüppe gesprochen. Er hat eine Sehschwäche und erzählt, wie sich die Politik des Bundesbeauftragten für Behinderung auf seinen Alltag auswirkt. Bei der Christoffel Blindenmission setzt sich Bedorf als Volontär selbst weltweit für Menschen mit Behinderung ein.
Ich durfte Dominik Bedorf am Wahlsonntag begleiten. Im Interview erzählt er, wie er das Wahllokal in Weinheim erlebt hat.
Durch meine Sehschwäche habe ich das Problem, dass sich bei Lichtveränderungen meine Augen nicht schnell genug adaptieren können. Durch diese fehlende Anpassung sehe ich, wenn etwas dunkler wird für alle anderen, nur noch schwarz. Und anders herum genauso. Wenn ich von einem dunklen Raum nach draußen gehe, ist alles für mich gleißend hell. Und so war es jetzt auch im Wahllokal für mich. Als ich da rein gekommen bin, hatte ich eine schwarze Wand vor mir. Ich wäre über die Stufen gestolpert, wenn meine Frau mich nicht am Arm genommen und mich hoch geführt hätte.
Wird sich die zukünftige Regierung für Barrierefreiheit einsetzen?
Wenn man sich die Parteiprogramme mal anschaut, dann muss man garnicht danach suchen. Inklusion oder Rechte von behinderten Menschen, dazu sagen viele Parteien gar nichts. Wenn man Integration oder Inklusion liest, dann ist das meistens auf andere Gruppen bezogen. Nicht auf behinderte Menschen. Und behinderte Menschen stellen laut WHO 14 Prozent der Weltbevölkerung dar. Jeder siebte Mensch ist behindert. Und wenn diese Menschen nicht ernst genommen werden – und ich fühle mich häufig nicht ernst genommen in meinen Belangen – dann ist das ein Wählerpotential, dass die Parteien einfach preisgeben.
Hubert Hüppe war in den vergangenen vier Jahren “Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen”. Mit der neuen Regierung wird auch dieses Amt neu besetzt. Wie haben Sie Hubert Hüppe kennen gelernt?
Offiziell heißt er Behindertenbeauftragter der Bundesregierung. Das ist ein Mann – den ich bei einer Podiums-Diskussion im Mai kennen gelernt habe – der sehr glaubwürdig die Situation von behinderten Menschen darstellen kann. Weil er einen Sohn hat, der selbst auch behindert ist. Dadurch hat er als Vater Erfahrungen gesammelt, wie Inklusion in der Schule schlecht oder gar nicht funktioniert. Und das finde ich dann einen sehr glaubwürdigen Fürsprecher in der Politik.
In seiner Abschluss-Bilanz schreibt Hubert Hüppe: “Insgesamt muss das Tempo der Umsetzung deutlich erhöht werden. Sie darf nicht zur „Jahrhundert-Aufgabe“ werden.” Hat der Bundesbeauftragte für Behinderung überhaupt eine Stimme in der Politik?
Er darf beraten, mehr nicht. Er kann dann höchstens mal einen Vorschlag machen, was der Bundestag beschließen sollte oder was die an Richtlinien machen können. Aber das meiste, was dieser Mann machen kann, ist Diskussionen führen mit den Politikern oder den Bundestagsabgeordneten. Aber er ist kein Kabinettsmitglied und im Endeffekt ein Berater – mehr nicht.
Hier können Sie nachlesen, dass der Bundesbeauftragte für Behinderung nur eine Beratertätigkeit ausübt. Es handelt sich außerdem um ein Ehrenamt.
Wie wirkt sich diese Politik auf ihren Alltag aus?
Die Situation spiegelt sich ganz konkret in meinem Fall wider: Dass mein Behinderten-Begleithund zum Beispiel nicht offiziell akzeptiert ist. Der Hund, der mir im Zweifelsfall das Leben retten kann. Weil er mich vor schweren Zuckerschocks warnen kann und wenn ich ins Koma falle wegen einer schweren Unterzuckerung – was ab und zu mal passieren kann – da kann der Hund mir das Leben retten. Trotzdem sagt die Krankenkasse und auch der Staat: “Das ist dein Hobby. Wenn du so einen Hund haben willst, zahl selber dafür – Wir hätten übrigens gerne Hundesteuer.” Und das sind dann einfach Sachen, wo der Staat zu kurz greift.
Wie empfinden Sie den Umgang der Gesellschaft mit dem Thema Behinderung und Barrierefreiheit?
Anfang Mai war ich bei einer Podiumsdiskussion beim evangelischen Kirchentag, bei der es um das Thema Inklusion ging. Bei der Diskussion war es so, dass viele Menschen einfach nicht diese Erfahrungen gemacht haben. Die nicht-behinderten Menschen haben in vielen Fällen gar nicht das Auge dafür, was es heißt, in Alltagssituationen nicht sich selbst zu genügen und allein voran zu kommen. Sondern immer auf Hilfe angewiesen zu sein oder um Hilfe bitten zu müssen. Manchmal abgewiesen zu werden – und was es eine Überwindung kostet, dann ein zweites Mal zu fragen.
Anders herum gibt es dann auch die Überhelfer, die dann ohne zu fragen helfen wollen und dann schon fast übergriffig werden. Mir ist auch schon passiert, dass ich am Arm gepackt wurde und in eine U-Bahn rein geschubst wurde, weil man mir zeigen wollte: “Hier ist die Tür”. Man kennt vielleicht die lustige Werbung, wo ein junger Mann einer älteren Dame über die Straße hilft, die dadurch dann ihren Bus verpasst. So ähnlich war das. Weil man mir unterstellte – stillschweigend – ich könne meinen eigenen Weg nicht finden. Aber ich wurde auch nicht gefragt, ob ich tatsächlich hier stehe, um die Bahn zu bekommen. Und das sind Sachen, die einen dann auch verärgern. Weil ich ja trotzdem einen eigenen Willen und eine eigene Meinung habe und da will ich auch ernst genommen werden.
Herzlichen Glückwunsch an unsere Kandidaten Sylvia Jörrißen und Hubert Hüppe, die es in den Bundestag geschafft haben!
— JU Kreis Unna (@JU_KreisUnna) September 23, 2013
#Hubert #Hüppe: Traumamt, er will weiterhin Behindertenbeauftragter sein http://t.co/S6cr3I9p0L
— Janine Graf (@JanineGraf1) September 25, 2013